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Der Krieg im Libanon ist ein Krieg der Medien

In der Tagesschau des Schweizer Fernsehens vom 10. August sah man, wie IKRK-Präsident Jakob Kellenberger nach Israel reiste, um den israelischen Premier Olmert zu treffen. Bei den Gesprächen ging es darum, Zusagen für die humanitäre Arbeit des IKRK im Südlibanon zu erhalten, was auch gelang. Im Südlibanon sind laut Kellenberger zwischen 400'000 und 500'000 Menschen auf humanitäre Soforthilfe angewiesen.


So weit, so gut. Was mir zu denken gab, war die Pressekonferenz danach, in der Kellenberger und das gesamte IKRK von einer israelischen Journalistin frontal angegriffen und bezichtigt wurden, keinerlei Sympathien für Israel zu haben. Nun, jeder, der das IKRK und seine Grundsätze kennt, weiss, dass diese Organisation nun wirklich völlig unpolitisch ist. Das IKRK mischt sich prinzipiell nicht politisch ein, um eben die humanitäre Arbeit und die Akzeptanz dieser Arbeit bei allen Kriegsparteien nicht zu gefährden. Dies ist einer der obersten Grundsätze des IKRK; ohne diesen könnte die Organisation wohl auch kaum funktionieren. Die Hilfeleistungen erfolgen streng nach dem Bedürfnisprinzip, unabhängig davon, welcher Ethnie die Hilfsbezüger angehören, die ja ohnehin Zivilisten sind und sich ihr Schicksal nicht ausgesucht haben.

Nun ist die Situation im Kriegsgebiet nun einmal die, dass im Südlibanon eben laut Kellenberger zwischen 400'000 und 500'000 Menschen auf Hilfe angewiesen sind, währenddem in Israel – und damit will ich die Situation dort keineswegs beschönigen – die Hisbollah-Raketen bestimmt auch Menschen getötet und verletzt haben, jedoch die gesamte Infrastruktur – Strassen, Rettungswesen, Spitäler, usw. – noch weitgehend in Takt ist und somit sichergestellt ist, dass Notleidenden auch die benötigte Hilfe zukommt. Wenn sich also die Arbeit des IKRK auf den Südlibanon beschränkt, so hat dies daher auch gar nichts mit Antipathie gegenüber Israel zu tun, sondern es ergibt sich aus der beschriebenen Situation heraus.

Die Antwort Kellenbergers auf den unangebrachten Vorwurf dieser Journalistin war dann auch: „Es gibt mehr als tausend Tote, getötete Zivilisten in Südlibanon. Darf ich Sie höflich daran erinnern, dass es dort sehr viele verletzte Zivilisten gibt, die wir nicht erreichen können. Im Rahmen unseres humanitären Auftrags erwarte ich aber, dass wir die erreichen können.“

Derweil stellt sich mir die Frage, wie verblendet, wie schlecht informiert eine Journalistin überhaupt sein muss, um so eine Frage zu stellen, welche Ursachen das hat und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

Was leider hierzulande nur wenig bekannt ist: in den israelischen Medien sind die Bilder der zerstörten Häuser libanesischer Zivilisten und die im israelischen Bombenhagel sterbenden Kinder nicht zu sehen. Dieser Teil des Kriegs wird einfach ausgeblendet, wobei mir selbst auch nicht ganz klar ist, ob dies auf Anordnung der Regierung oder aus falsch verstandenem Patriotismus der Medien geschieht. Das Beispiel der erwähnten israelischen Journalistin zeigt wohl, dass es häufig auch schlicht aus Dummheit und Nichtwissen geschieht.

Noch düsterer sieht’s aus, wenn ich mir die Folgen dieser Situation ausmale. Wie soll denn ein Volk überhaupt objektiv informiert sein können, wenn seine Journalisten, deren Artikel es liest, schon so verblendet sind, dass sie derart offensichtliche Tatsachen nicht einsehen? Die Frage ist eine rhetorische und die Antwort darauf erklärt wohl auch, weshalb es in der israelischen Gesellschaft selbst nicht mehr Widerstand gibt gegen diesen Krieg, der wohl so sinnlos ist, wie noch keiner zuvor im Nahen Osten und bei dem der Anteil der zivilen Opfer traurige Höchstwerte erreicht.

Link zum Thema
Tagesschau des Schweizer Fernsehens vom 10. August

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Diese Seite enthält einen einzelnen am 10.08.06 18:02 erschienenen Blogeintrag.

Zuvor erschien in diesem Blog Europa hat kein Konzept für Afrika.

Danach erschien Krieg im Nahen Osten: Alles eine Frage der Macht.

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