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Torpediert Blocher mit dem revidierten Asylgesetz bewusst den Vertrag von Dublin?

Tritt dereinst (geplant ist 2008) das Dublin-Abkommen in Kraft, dem die Schweiz im Juni 2005 zugestimmt hat, wird die Schweiz eng in das Asylsystem der EU integriert. Die teilnehmenden Staaten verpflichten sich dabei, ihre Asylgesetzgebung aufeinander abzustimmen. Das revidierte Asylgesetz, über welches wir am 24. September abstimmen, läuft dem zuwider. War das die Absicht von Bundesrat Blocher, der damit das Dublin-Abkommen doch noch zu Fall bringen will?


Der Vertrag von Dublin, auch Erstasylabkommen genannt, regelt EU-weit den Umgang mit Asylbewerbern. Nach dem Vertrag darf ein Asylbewerber nur noch in jenem Dublin-Land Antrag auf Asyl stellen, welches er als erstes betreten hat. Als Binnenland würde die Schweiz in besonderem Masse von dem Abkommen profitieren, da sie höchstens noch für per Flugzeug einreisende Asylbewerber zuständig wäre und alle restlichen Bewerber in andere EU-Länder – wie Italien oder Spanien – zurückschicken könnte, was natürlich Kosten sparen würde. Wird der Vertrag wie geplant in den EU-Ländern ratifiziert, könnte die Schweiz, obschon nicht EU-Mitglied, etwa 2008 diesem EU-Abkommen beitreten.

Um zu verhindern, dass sich Asylbewerber künftig gezielt die Länder mit den mildesten Asylgesetzen aussuchen und diese Länder dann die ganze Last zu tragen hätten, will das Abkommen von Dublin auch die nationale Asylgesetzgebung innerhalb des Dublin-Raums harmonisieren. Die Richtlinien dazu werden zurzeit in der EU verhandelt; da die Schweiz nicht Mitglied ist, kann sie dabei nicht mitreden. Als künftiges Dublin-Mitglied müsste sie jedoch die Richtlinien befolgen und in die nationale Gesetzgebung einfliessen lassen.

Nun zeichnet sich bereits ab, dass sich die EU bei der Ausschaffungs- und Beugehaft wohl auf eine Maximaldauer von einem halben Jahr verständigen wird. Die Vorlage zum neuen Asylgesetz der Schweiz sieht dagegen bis zu zwei Jahre vor. Die EU würde diese unterschiedliche Gesetzgebung der Schweiz wohl nicht akzeptieren, da die Schweiz dadurch gegenüber anderen Dublin-Staaten bevorteilt würde (da unattraktiver für Asylbewerber).

Konkret heisst dies, dass die Schweiz möglicherweise das neue Asylgesetz schon kurz nach dessen Annahme wieder ändern müsste, um „Dublin-konform“ zu sein. Bundesrat Blocher, der das Gesetz massgebend mitgestaltet hat, muss dies bewusst gewesen sein; Ständerätin Simonetta Sommaruga (SP, BE) hatte bereits im März letzten Jahres darauf hingewiesen und die Rückweisung des neuen Gesetzes gefordert, bis die EU-Richtlinien klar sind und das neue Gesetz von Anfang an darauf angepasst werden könnte – vergebens.

Da Blochers Positionen zur EU und zum Dublin-Abkommen hinlänglich bekannt sind, stellt sich die Frage, ob der SVP-Bundesrat die Gesetzesvorlage bewusst EU-inkompatibel ausgestaltet hat, um den Beitritt der Schweiz zum Vertrag von Dublin doch noch – sozusagen durch die Hintertüre – zu verhindern. Um die maximale Haftdauer nachträglich wieder auf ein halbes Jahr zu kürzen, wäre nämlich eine neue Volksabstimmung nötig, die die EU-Gegner wieder als Druck- oder Erpressungsversuch der EU darstellen könnten, da bei deren Ablehnung ein Ausschluss der Schweiz aus dem Dublin-Abkommen drohen würde.

Quellen und Links zum Thema:
Elf Gründe für zwei Nein (WOZ)
Erläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 24. September 2006 (Bundeskanzlei)

Kommentare (4)

gurke:

Sehr interessanter Artikel. Da ich ja bei der Entstehung teilweise "live" dabei war, gibts eigentlich gar nicht mehr viel zu sagen. Generelles Feedback zu den Artikeln: Ich wünsche mir - wenn vorhanden - etwas mehr Links auf weiterführende Informationen und Zusammenhänge. Bei diesem Artikel würde mich insbesondere die Stellungnahme von Frau Sommaruga interessieren - die sollte sich doch online irgendwo finden lassen? ;-)

Hallo Gurke und danke fürs Feeback! Ich gebe die Links immer an, wenn ich etwas finde. In diesem Fall hatte ich leider nichts gefunden; falls du also dazu etwas hast, ist's sehr willkommen und wird entsprechend ergänzt.

fes:

Zum fünften Jahrestag von 9/11 scheinen Verschwörungstheorien Hochkunjuktur zu haben. Jedenfalls scheint mit dieser Artikel nichts anderes zu sein. Inhaltlich ist es durchaus schlüssig, dass Schwierigkeiten mit der EU-(Asyl-)Gesetzgebung auftauchen könnten, bzw. wahrscheinlich werden. Jedoch halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass Blocher das Asylgesetz aus diesem Grund durchbringen will. Da spielen seine anderen Argumente (Schutz vor Missbrauch des Asylwesens etc.) wohl die viel grössere Rolle. Und soweit ich mich errinern mag, war Blocher gar nicht so extrem Anti-Dublin sondern eher Anti-Schengen.
trotzdem wars spannend zu lesen ;) lg

An alle, die mich einen Verschwörungstheoretiker genannt haben, schaut mal da: Neues Asylgesetz nicht EU-kompatibel (SF Tagesschau)! :-) Zwar wird dort auch behauptet, die Inkompatibilität sei für Schengen/Dublin kein Problem - aber das wird sich zeigen. Noch haben die EU-Staaten den Beitritt der Schweiz ja nicht ratifiziert...

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