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Von Ogis guter Idee ist nichts mehr übrig

Gestern berichtete die Rundschau des Schweizer Fernsehens, dass die Schweizer Armee keine Ferienlager für kriegsgeschädigte Kinder für die von alt Bundesrat Adolf Ogi gegründete Swisscor-Stiftung mehr durchführen wolle. Da sich der zuständige Bundesrat, Verteidigungsminister Samuel Schmid, nicht äussern und diese Sparübung nicht kommentieren wollte, entstand ein allzu positives Bild dieser Ferienlager. Ich sage dies als einer, der selbst einmal als Soldat einen Wiederholungskurs in so einem Lager absolviert hat.


Das Militär leitet ein Ferienlager für ausländische Kinder – schon die Idee ist doch einigermassen gewöhnungsbedürftig, immerhin ist das Militär nicht unbedingt auf die Leitung von Ferienlagern spezialisiert. Zufall oder nicht: im letzten Sonntagsblick-Magazin „Sie + Er“ (Nr. 33 vom 13. August 2006) erschien ein grosses Interview mit Armee-Chef Christophe Keckeis mit dem Titel „Wir sind kein Ferienclub“ – so kennen wir unsere Armee doch schon eher.

Im Frühjahr 2002 fand das Swisscor-Lager in Melchtal, Kanton Obwalden, statt. Kriegsgeschädigte und –traumatisierte Kinder aus Bosnien-Herzegowina waren zu einem dreiwöchigen Ferienlager eingeladen.

Schon die Wahl des Standorts muss mindestens als unglücklich bezeichnet werden, denn die Anlage in Melchtal war in einem äusserst heruntergekommenen Zustand. Der WK unserer Einheit (für Insider: Spit Stabs Kp 71) war denn auch der letzte, der vor dem Rückbau der Anlage dort geplant war. Wir wohnten in einfachen Holzbaracken direkt am Fluss. Die Baracken waren derart alt und instabil, dass eine oder zwei davon auseinanderbrachen und den Fluss hinuntergespült wurden, als dieser einmal Hochwasser führte! Wir mussten von der örtlichen Feuerwehr evakuiert werden. Die Baracken der Kinder waren zwar etwas moderner, dennoch bleibt der Standort ungünstig: an dieser Stelle im Melchtal ragen beidseits des Tals derart hohe Felswände in den Himmel, dass es die Sonne selbst während dem Frühling nur ein, zwei Stunden bis zu uns hinunter schaffte.

Zum Verlauf des Lagers selbst kann ich nicht allzu viel sagen, da ich in der Küche eingeteilt war. Auch dort bekam ich jedoch mit, dass ganz offensichtlich in der Selektion der Kinder auch etwas schief gelaufen sein musste: die Kids, die wir da betreuten rannten allesamt in teuren Markenklamotten umher. Der Eindruck, dass es sich bei diesen Kindern nicht um die armen, kriegsgeschädigten Kinder handelte, wie man sich sie vorstellt, wurde noch verstärkt, weil sie beinahe täglich an der Verpflegung etwas auszusetzen hatten. Dies obschon wir dort – für Armee-Verhältnisse – wirklich ausserordentlich gut zu Essen hatten. Ich mag mich z.B. an Fischfilets oder Saltinbocca erinnern, also alles andere als der gewohnte, oft verpönte Militärfrass. Den Tee tranken sie auch nicht, liessen stattdessen ausrichten, sie hätten lieber Cola. …

Die Kinder erzählten, die Auswahl, wer in dieses Lager gehen durfte und wer nicht, sei aufgrund der Schulnoten erfolgt. Man kann sich also vorstellen, dass so nicht unbedingt die Bedürftigsten begünstigt wurden.

Wie dem im Detail auch sein mag – das sind natürlich meine subjektiven Eindrücke. Dennoch: nach dem einseitigen, unkritischen Rundschau-Bericht dürfte für die meisten Zuschauer unverständlich gewesen sein, dass nun ausgerechnet bei diesen Lagern gespart werden soll. Nach dem was ich gesehen habe, scheint mir jedoch klar, dass diese Lager nicht eine besonders effiziente Art der Hilfe gewesen waren. Dass damit gar ein friedensfördernder Einsatz geleistet wurde, wie es die Swisscor darstellt, scheint mir etwas gar fern der Realität. Und wenn man noch bedenkt, dass offenbar die „falschen“ Kinder ausgewählt wurden, so bleibt doch das Resultat von Ogis guter Absicht letztlich unbefriedigend.

Links zum Thema
Rundschau vom 16.08.2006 (Schweizer Fernsehen SF)
Lager für kriegsgeschädigte Kinder gestrichen (www.news.ch)
Swisscor

Kommentare (1)

gurke:

Schade eigentlich...
Prinzipiell finde ich solche Ideen gut und auch angebracht - so wird wenigstens ein Teil des Geldes der Armee für sinnvolle Zwecke eingesetzt. Vielleicht sollte man die Sache einfach neu überdenken statt sie gleich einzustampfen...

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Über diese Seite

Diese Seite enthält einen einzelnen am 17.08.06 17:08 erschienenen Blogeintrag.

Zuvor erschien in diesem Blog Die islamische Welt hält uns den Spiegel vor.

Danach erschien Die Demokratie in Russland leidet unter Putin.

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