« Rentendiskussion um den heissen Brei | Hauptseite | Der grosse Bruder will ins Schlafzimmer »

Entwicklung ist nicht käuflich

Seitdem Warren Buffet, der zweitreichste Mann der Welt, der Bill & Melinda Gates Foundation 30 Mrd. $ zugesagt hat, ist diese endgültig zum beispiellosen Giganten unter den Stiftungen und Wohltätigkeitsorganisationen geworden. Ist das ein Grund zu Freude? Was bewirkt das Auftreten eines solchen Giganten auf dem internationalen Entwicklungshilfe-Parkett? Einige Gedanken dazu.


Die Grösse und Macht von Bill Gates’ Stiftung ist schlichtweg atemberaubend. Zur Veranschaulichung: Das Vermögen der Stiftung von nunmehr ungefähr 60 Mrd. $ überragt das Bruttosozialprodukt Kenias (mit 32 Mio. Einwohnern das neuntgrösste Land Afrikas) und jenes Nigerias (mit 137 Mio. Einwohnern das grösste Land Afrikas) zusammen. Um als Wohltätigkeitsorganisation zu gelten, muss eine Stiftung jedes Jahr mindestens 5 % ihres Vermögens ausgeben. Für die Gates-Foundation bedeutet dies mindestens 2,8 Mrd. $ pro Jahr oder ungefähr 75 $ pro Sekunde – das ganze Jahr hindurch. Damit liegt ihr Jahresetat etwa doppelt so hoch wie jener der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Was geschieht mit dieser Riesensumme? 30 % der Ausgaben kommen Projekten in den USA zugute. Die restlichen 70 % sind für die übrige Welt, hauptsächlich für Entwicklungsländer bestimmt. Gates lässt damit z.B. nach Medikamenten für Krankheiten wie AIDS, Malaria oder Masern forschen. Auf diesem Gebiet findet durch die Pharmaindustrie kaum Forschung statt; die Renditeaussichten sind ganz einfach zu schlecht, da sich die meisten von diesen Krankheiten betroffenen Menschen keine Medikamente leisten können. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Förderung von Bildung (Schulen, Universitäten, Bibliotheken).

Was ist nun an der Bekämpfung von Krankheiten und an der Förderung von Bildung schlecht? Selbstverständlich nichts. Die Frage ist nur, ob dies wirklich durch eine private Stiftung geschehen soll, denn diese Stiftung entscheidet dann natürlich alleine, wer die Gelder erhält, unter welchen Bedingungen und was damit geschehen soll. Programme und Spenden von traditionellen Institutionen wie der WHO oder der Weltbank, die häufig an Bedingungen wie z.B. politische und wirtschaftliche Reformen geknüpft sind, werden so praktisch ausgehebelt. Solche demokratisch organisierten und nach anerkannten Prinzipien der Entwicklungshilfe agierenden Organisationen werden also durch das Auftreten eines solchen Giganten – alleine schon wegen seiner Grösse – in ihrem Handlungsspielraum geschwächt.

Daneben ist höchst fraglich, ob die gigantischen Summen durch die Stiftung wirklich sinnvoll eingesetzt werden, schliesslich kommt Gates aus der Softwarebranche und ist nicht bekannt dafür, Spezialist für Entwicklungshilfe zu sein. So las man denn beispielsweise, dass die Stiftung in gewissen Regionen Afrikas im grossen Stil Medikamente gegen Durchfall verteilen liess – was den Druck senkte, Wasserpumpen für sauberes Wasser zu bauen, denn der Durchfall wurde durch die Einnahme verschmutzen Wassers verursacht. In den USA soll die Stiftung kleine Schulen unterstützt haben – wodurch die Bush-Regierung sich veranlasst fühlte, das dafür vorgesehene Budget um 93,5 Mio. $ zu kürzen.

Diese beiden Beispiele zeigen, wie schwierig es häufig ist, richtig und nachhaltig zu helfen und leider auch, wie unbedacht die Gates-Stiftung dabei oft vorgeht. Zusätzlich in Kritik geraten ist die Stiftung neulich dadurch, dass sie der MediaNews Group (Inhaber von über 40 Tageszeitungen und damit einer der grössten US-Zeitungskonzerne) einen Kredit in der Höhe von 350 Mio. $ zur Übernahme weiterer Zeitungen in Minnesota und Kalifornien gewährte. Weiter hörte man, dass auf die unterstützen US-Schulen ein gewisser Druck ausgeübt wurde, bei der Beschaffung von Software des Stifters Firma Microsoft zu berücksichtigen. Und schliesslich: um die Forschung auf dem Gebiet der erwähnten Krankheiten voranzutreiben, hält die Stiftung Anteile an Pharma-Konzernen wie Merck und Pfizer, die sich bisher dagegen gewehrt haben, dass zur Linderung der Not in Afrika günstige Generika ihrer Medikamente entwickelt werden durften.

Nun könnte man geneigt sein zu sagen, dass keine Hilfe perfekt ist und dass die Stiftung immerhin eine Menge unternimmt, den Ärmsten dieser Welt zu helfen – und hat damit wohl auch nicht ganz Unrecht. Vielleicht blicken wir in ein paar Jahren voller Respekt auf diese Stiftung, in Anbetracht dessen, was sie dann vielleicht erreicht haben wird. Vielleicht. Ich vermag daran allerdings nicht zu glauben, denn die Krankheiten in Afrika sind in den meisten Fällen ein Resultat der Armut; so sieht das auch die Weltbank. Armut verhindert häufig Aufklärung und bessere Hygiene. Die Armut wiederum ist eine direkte Folge der nicht funktionierenden Wirtschaft oder despotischer Herrscher, die sich auf Kosten des Volkes bereichern. An diesen Grundursachen allen Übels ändern auch die 60 Mrd. der Gates-Foundation nichts.

Die einzigen, die daran etwas ändern könnten, sind Institutionen wie die UNO und ihre Unterorganisationen, Staaten, die mit ihrer Entwicklungspolitik darauf hinwirken, die Demokratisierung Afrikas voranzutreiben und die Länder der Welthandelsorganisation WTO, die endlich fairere Spielregeln für den internationalen Handel erlassen könnten, damit z.B. der Verkauf afrikanischer Baumwolle nicht länger durch die massiven Exportsubventionen der USA, die damit den Absatz der eigenen Baumwolle sichern, verhindert wird. Genau diese Institutionen werden aber durch das Wirken der Gates-Stiftung teilweise geschwächt. Zudem wird durch diese Art von „Hilfe“ die Abhängigkeit der Entwicklungsländer durch den Westen – und insbesondere eben auch durch die Gates-Stiftung – weiter erhöht. Als private Stiftung kann die Gates-Foundation ihr Vermögen aber einsetzen, wie es ihr beliebt, zuvor unterstützte Länder plötzlich fallen lassen oder inakzeptable Bedingungen stellen – und damit letztlich mehr Schaden anrichten, als Probleme lösen.

Dies könnten alles Horrorvisionen sein, die nie eintreffen werden – müssen aber nicht. Eine gewisse Gefahr bleibt bestehen, wenn eine private Stiftung derart mächtig wird und derart eigenwillig ihre Macht auch weltweit ausübt – auch wenn vielleicht sogar guter Wille dahinter steckt. Um die stetig steigende Macht von Gates und seiner Stiftung zu beschränken gibt es nur eins: die Staaten des Westens müssen im Rahmen der bestehenden Institutionen ihre Verantwortung gegenüber der Dritten Welt wahrnehmen. Die Politik darf nicht länger auf kurzfristigen Eigennutzen ausgerichtet sein, sondern muss erkennen, dass Fortschritte in der Entwicklung unterentwickelter Länder auch in ihrem eigenen Interesse liegen. Weniger Armut in der dritten Welt bedeutet schliesslich auch neue Absatzmärkte und ein geringerer Migrationsdruck. Auch die Schweiz kann sich diesbezüglich noch verbessern. Hierzulande werden nach wie vor nicht die von der UNO geforderten 3 % des Bruttoinlandprodukts für Entwicklungshilfe aufgewendet, und die Rolle der Schweiz in der WTO hat sich bisher auch mehr oder weniger darauf beschränkt, die eigene Landwirtschaft vor weiteren Marktöffnungen zu schützen, anstatt jenen Liberalisierungen, die im Interesse der Entwicklungsländer liegen, zum Durchbruch zu verhelfen.

Quellen und Links zum Thema:
Bill & Melinda Gates Foundation – offizielle Website
Bill & Melinda Gates Foundation (Wikipedia)
Gates-Stiftung hilft Medienkonzern (Telepolis)
Das Wirken der Bill Gates-Stiftung (Sueddeutsche.de)
Monopol der Wohltaten (Die Zeit)
Wenn die Reichen stiften geh'n (Stern)
Gates’s Charity Races to Spend Buffett Billions (New York Times)

Kommentare (4)

Adrian Wettstein:

Ich finde deine Gedankengänge, wie so oft, anregend. Kleiens Detail am Rande (das mir aber beim derzeit grassierenden Anti-Amerikanismus sehr wichtig erscheint: Auch die EU-Staaten verhindern mit Zöllen und Subventionen mögliche Märkte für die Drittweltstaaten.
Doch nun zum kern: Dein Hurrah auf die staatliche und supranationale Entwicklungshilfe kann ich so nicht teilen. Die Geschichte dersleben ist auch (und vor allem) eine Geschichte von theoretischen Modellen, die sich letzlich allesamt als problematisch erwiesen. Das Good Gouvernance Konzept, welches Du ansprichtst, ist der derzeitige Trend, und wahrscheinlich werden in zehn jahren Polito-Studenten auch dieses Konzept als Vergangenheit diskutieren. Mal sehen...
Interessanterweise sprichst Du bezüglich der Armut die Frage sozialer Umstände (Traditionen, Signers "Hexerei"-Beobachtungen, usw.) gar nicht an. Denn, und das ist meine vermutung der Schwäche des GG-Konzeptes, diese werden ganz allgemein unterschätzt.

Danke für den netten Kommentar, Adi! :-) Du hast natürlich recht, die EU ist mindestens ebenso protektionistisch wie die USA. Ich hab' im Kommentar die USA erwähnt, weil bei deren Baumwollsubventionen der Bezug zu Afrika deutlicher wird als bei der EU. Damit der Stein ins Rollen kommt müsste aber jemand den Anfang machen und das könnte die EU genauso wie die USA, da bin ich völlig mit dir einverstanden. Zum Good Gouvernance Konzept: meinst du nicht, dass die grossen Erfolge bisher vor allem deshalb ausgeblieben sind, weil es nur halbherzig angewandt wurde? Jedenfalls halte ich's für erfolgsversprechender als die Gates-Methode.

fes:

Eigentlich hast du mit ziemlich allem Recht was du da so schreibst. Die Macht dieser Stiftung ist schon beängstigend. Jedoch ist ein sehr zentraler Punkt nicht erwähnt worden. Schlussendlich stammt ein Grossteil des Vermögens aus Gates und Buffets Privatvermögen. D.h. sie könnten auch ohne Stiftung genau das tun, was sie jetzt tun. Oder das Geld auch für Koks und Nutten auf den Kopf hauen. Da finde ich Beteiligungen an Merck und Pfizer deutlich moralischer...

Sicher, Fes, doch meines Erachtens hat man als Superreicher eben eine gewisse Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Oder, wie Gates Mutter Mary ihrem Sohn offenbar einige Monate vor ihrem Tod geschrieben hatte: "Es wird viel erwartet von denen, denen viel gegeben wurde" (Zitat aus Stern: "Wenn die Reichen stiften geh'n"). Und wenn die Einflussnahme dann eben so gross wird, dass etablierte Institutionen - so mein Verdacht - geschwächt werden, dann darf man (oder muss sogar) als Gesellschaft dem wohltätigen Stifter doch schon etwas genauer auf die Finger schauen, selbst wenn guter Wille dahinter war. Denn dieser ändert eben an möglichen negativen Folgen leider nichts.

Kommentar schreiben

(Wenn Sie auf dieser Site bisher noch nicht kommentiert haben, wird Ihr Kommentar eventuell erst zeitverzögert freigeschaltet werden. Vielen Dank für Ihre Geduld.)

Über diese Seite

Diese Seite enthält einen einzelnen am 17.09.06 23:44 erschienenen Blogeintrag.

Zuvor erschien in diesem Blog Rentendiskussion um den heissen Brei.

Danach erschien Der grosse Bruder will ins Schlafzimmer.

Viele weitere Einträge finden Sie auf der Hauptseite und im Archiv.

Über...