« Das Experiment Blocher ist gescheitert | Hauptseite | Letzter Versuch zur Rettung der alten Konkordanz »

Bei der Hanfinitiative geht es nicht nur ums Kiffen

Am kommenden Wochenende entscheidet die Schweiz, ob sie das 33jährige, auf Druck der USA entstandene Verbot von Cannabis aufheben und dafür einer pragmatischen Politik Platz machen will. Leider wurde im Abstimmungskampf fast ausschliesslich von Cannabis als Droge gesprochen – dabei ist es weit mehr als das.


Es geht bei der bevorstehenden Abstimmung nicht darum, das Kiffen zu legalisieren, damit landesweit ungehindert geraucht werden kann. Und ich bin auch kein Verfechter der Ansicht, dass man die Gesetze der gesellschaftlichen Realität anpassen soll – das wäre eine Bankrotterklärung des Rechtsstaates. Es ist die Aufgabe des Rechts, allgemeingültige Normen zu setzen. Viele Gesetze werden häufig überschritten, sei es im Verkehr oder im Bereich des Eigentums; niemand würde deshalb fordern, dass man Verkehrsregeln abschaffen oder Diebstahl legalisieren soll.

Wir müssen uns die Frage stellen, was wir erreichen wollen und ob das Verbot dazu ein dienliches Mittel ist. Erreicht werden soll, darüber herrscht weitgehend Einigkeit, ein möglichst wirksamer Jugendschutz. Nun kann bei einer legalen Substanz der Jugendschutz weit besser gewährleistet werden, da es registrierte Verkaufsstellen gibt, die behördlich überprüft werden können, ob sie den Jugendschutz einhalten, was beim Schwarzmarkt nicht möglich ist. Schwarzmarkthändler besitzen keine Moral, sie bewegen sich ohnehin in der Illegalität und schrecken daher kaum davor ab, Cannabis auch an Minderjährige abzugeben.

Dies bestreiten nicht einmal die Gegner der Vorlage. Sie behaupten jedoch, dass der heutige Schwarzmarkt weiter bestehen würde, da von den minderjährigen Konsumenten eine genügend grosse Nachfrage ausginge, die auf dem legalen Weg nicht befriedigt werden könnte. Prophezeiungen sind immer schwer widerlegbar, aber stellen wir uns doch die Frage, wie wahrscheinlich dieses Szenario ist. Ein kleiner Vergleich hilft uns weiter: hochprozentiger Alkohol und Zigaretten sind ebenfalls erst ab 18 erhältlich und wie wir alle wissen, besteht eine grosse Nachfrage Minderjähriger nach diesen Produkten. Blüht daher landesweit der Schwarzmarkt mit Alkohol und Zigaretten? Nein. Wenn Minderjährige Alkohol oder Zigaretten konsumieren, bekommen sie die Ware von älteren Kollegen, die diese legal erworben haben. Wir können also davon ausgehen, dass der Cannabis-Schwarzmarkt durch die Legalisierung wirksam ausgetrocknet und der Jugendschutz somit verbessert würde.

Als Nebeneffekt würden wir beträchtliche Summen Geld sparen, die heute für die Verfolgung von Cannabiskonsumenten aufgewendet werden und es würden ebenfalls beträchtliche Summen mehr Steuern eingenommen, da der legal verkaufte Cannabis selbstverständlich besteuert würde.

Das Beispiel der Zigaretten zeigt uns übrigens, welches der wirksamste Weg ist, Konsumenten vom Konsum abzuhalten: Der Preis. Bei der letzten Preiserhöhung von 30 Rappen pro Päckli ging der Verkauf um 5.1 % zurück, Schwarzmarkt und Schmuggel blieben dabei stabil tief. Ähnliche Erfolge wurden durch die höhere Besteuerung von Alcopops erreicht. Nebeneffekt: Allein mit der Tabaksteuer verdient der Bund jährlich 2 Milliarden Franken, die dem Volk zugute kommen.

Die Gegner der Vorlage behaupten weiter, dass eine Legalisierung ein falsches Signal an die Jugend senden würde – wie soll man Jugendlichen erklären, dass Kiffen nicht gut für sie sei, wenn man’s doch soeben legalisiert hat? Die Gegner übersehen dabei, dass das Glaubwürdigkeitsproblem nicht erst durch die Legalisierung von Cannabis geschaffen würde. Die Jugend sieht bei der heutigen Gesetzgebung den Sinn nicht mehr ein, einer Gesetzgebung, die absolut tödliche Produkte, wie Alkohol und Zigaretten zulässt und dagegen eine verhältnismässig harmlose Substanz wie Cannabis, die weder abhängig macht noch zum Tod führen kann, verbietet. Jährlich sterben in der Schweiz etwa 10'000 Menschen an den Folgen von Alkohol- und Zigaretten-Konsum. Zigaretten werden giftige Zusatzstoffe wie Ammoniak beigemischt, das zehnmal mehr krebserregend ist als Nikotin und bewirkt, dass die Konsumenten schneller abhängig werden – alles legal. Wenn Gesetzgebung derart unlogisch und unnachvollziehbar ist, entsteht der Eindruck von Willkür und das ist ein Problem für den Rechtsstaat.

500'000 regelmässige Cannabiskonsumenten in der Schweiz beweisen, dass Repression alleine die Leute nicht vom Konsum abhält. Eine Droge wird nicht eher konsumiert, wenn sie legal ist. Insbesondere unter Jugendlichen wird eine Droge dann konsumiert, wenn sie als cool gilt. Und Cannabis ist eben cool, genauso wie die legalen Drogen Alkohol und Zigaretten. Will man dies ändern, muss man Aufklärung und Kampagnen betrieben – auch hier kennen wir gute Beispiele aus dem Tabak-Bereich: „Die neue Lust – Nichtrauchen“, „No smoke – more power“, etc.

Das Schlimmste am aktuellen Verbot sind aber gewissermassen seine Nebenwirkungen: Cannabis ist nämlich nicht bloss eine Droge, sein Wirkstoff THC kann zur Schmerzlinderung als Heilmittel genutzt werden. Patienten verschiedener schwerer chronischer Krankheiten wie Krebs und Multiple Sklerose berichten, dass sie durch Cannabis die bessere Schmerzlinderung erzielen, als mit starken Medikamenten, die nota bene ungesünder sind und starke Nebenwirkungen hervorrufen. Welches Recht haben wir, solch armen Menschen den Konsum eines natürlichen Produkts wie Cannabis zur Schmerzlinderung zu verweigern und sie in die Illegalität zu treiben?

Das Verbot ist also nicht nur nicht wirksam im Bezug auf die gewollten Effekte (Jugendschutz, etc.), es hat darüber hinaus negative ungewollte Effekte. Es ist nun an der Zeit, neue Wege zu beschreiten in der Hanfpolitik. Schaffen wir dieses unsinnige Verbot ab, stimmen wir am Sonntag „ja“ zur Initiative „Für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz“!

Quellen und Links zum Thema:
Erläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 30. November 2008 (www.ch.ch)
Pro: Hanfinitiative 2008
Pro: Pro Jugendschutz gegen Drogenkriminalität
Kontra: Hanf-nein.ch
Kontra: Jugendkomitee „Ja zur Jugend – Nein zur Hanfinitiative“
30 Rappen mehr pro Päckli Zigaretten (NZZ)
Tetrahydrocannabinol (Wikipedia)
Ammoniak (Wikipedia)

Kommentare (1)

Jonas:

Hej Manu,

Erstmal gratulation, dass du endlich mal wieder Zeit für einen Blog-Eintrag gefunden hast. Hoffe, die kommen nun wieder regelmässiger!
Sinn und Zweck des Blogs wäre ja eigentlich, hier ein bisschen zu diskutieren. Doch "leider" kann ich dir zu diesem Eintrag nur zustimmen, hast ziemlich exakt meinen Gedankengang geschildert, welcher mich zum "ja" bewegt hat. Deshalb, schreib doch noch mal einen anderen Eintrag, bin sicher, bei anderen Themen herrscht nicht nur eitel Sonnenschein ;)
griässli
jonas

Kommentar schreiben

(Wenn Sie auf dieser Site bisher noch nicht kommentiert haben, wird Ihr Kommentar eventuell erst zeitverzögert freigeschaltet werden. Vielen Dank für Ihre Geduld.)

Über diese Seite

Diese Seite enthält einen einzelnen am 27.11.08 02:27 erschienenen Blogeintrag.

Zuvor erschien in diesem Blog Das Experiment Blocher ist gescheitert.

Danach erschien Letzter Versuch zur Rettung der alten Konkordanz.

Viele weitere Einträge finden Sie auf der Hauptseite und im Archiv.

Über...