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Letzter Versuch zur Rettung der alten Konkordanz

Am 10. Dezember entscheidet sich, ob die „alte“ Konkordanz, mit Beteiligung der SVP, gerettet werden kann oder wir in der Schweiz dauerhaft auf ein System zusteuern, bei dem nicht mehr alle grossen Parteien an der Regierung beteiligt sind. Mit den Kandidaten, die die SVP der Bundesversammlung zur Wahl vorschlägt, wird sich jedoch die Konkordanz nicht retten lassen.


Die SVP versucht seit der berühmt gewordenen Drohung „Blocher oder Opposition“ im Jahr 2003 eine Art Systemwechsel in der Regierungsbildung der Schweiz herbeizuführen, bei dem die Parteien ihre Vertreter in der Regierung selbst bestimmen. Dieses System kann jedoch nicht funktionieren, da für ein Funktionieren der Regierung ein Mindestmass an Konsens von Nöten ist. Herrschen innerhalb der Regierung zu fundamentale Differenzen, wird die Konkordanz ad absurdum geführt. Die Erfahrung mit Blocher im Bundesrat hat dies letztlich nur bestätigt.

Unter der Beteiligung Blochers hat das Ansehen der Schweizer Regierung grossen Schaden genommen. Er hat die Gewaltentrennung nicht respektiert, wiederholt das Völkerrecht in Frage gestellt, andersdenkende lächerlich gemacht und laufend Interna aus geheimen Bundesratssitzungen der von ihm mitfinanzierten Weltwoche zugespielt. Er und seine Linie innerhalb der SVP, zu der auch Ueli Maurer gehört, stellen einige für die Schweiz fundamental wichtige Institutionen grundsätzlich in Frage, weshalb ihre Einbindung in den Bundesrat zwecklos erscheint.

Welche Glaubwürdigkeit könnte denn z.B. ein Verteidigungsminister Maurer haben, für den die Armee wie eine Feuerwehr zu Hause bleiben muss, für den Fall dass es brennt, in einer Zeit, in der die Hauptherausforderungen der Armee im Kosovo und anderen internationalen Einsätzen liegen? Welche Glaubwürdigkeit hat eine Regierung bei der Verteidigung ihres wichtigsten Geschäftes, der Weiterführung der Bilateralen Verträge mit der EU, wenn ein Regierungsmitglied zum Boykott der Abstimmung aufruft und das Land weiter in die Isolation zu treiben sucht? Und welchen Ruf soll unser Land im Ausland geniessen, wenn mit Maurer ein Mitinitiant der Minarettinitiative in der Regierung sitzt, die die freie Religionsausübung, ein fundamentales Menschenrecht, einschränken will?

Diese Linie ist mit der Mehrheit aus SP, CVP und FDP unvereinbar, da zu fundamental verschieden. Es macht aber auch daher keinen Sinn, diese Linie in die Regierung einzubinden, weil sich etliche Male gezeigt hat, dass sie auch im Volk nicht mehrheitsfähig ist. Das Volk hat den bilateralen Weg mit der EU wiederholt an der Urne bestätigt und die Neuausrichtung der Armee inklusive Auslandeinsätze jeweils deutlich gutgeheissen.

Dabei schliesse ich eine Beteiligung der SVP nicht kategorisch aus, denn auch in der SVP – selbst nach der Abspaltung der BDP –, gibt es nach wie vor Vertreter, die das SVP-Gedankengut vertreten, ohne dabei die wichtigsten Institutionen des Landes in Frage zu stellen. Peter Spuhler oder Rita Fuhrer sind zwei Beispiele hierfür; letztere war immerhin die offizielle Bundesratskandidatin der SVP Frauen.

Für die Bundesratswahl vom 10. Dezember ergibt sich daher nur ein sinnvolles Vorgehen: Die Bundesversammlung wählt einen SVP-Vertreter, der es der Regierung erlaubt, auf eine glaubwürdige Weise weiter zu arbeiten, wie Fuhrer oder Spuhler. Sollte die SVP im Laufe der Wahlgänge signalisieren, dass sie tatsächlich keine anderen Vertreter im Bundesrat ausser den offiziellen Kandidaten duldet und andere Kandidaten bei einer allfälligen Annahme der Wahl wirklich wie angekündigt von der Partei ausschliessen würde, macht auch die Wahl Fuhrers oder Spuhlers keinen Sinn. Das Parlament müsste dann eine Regierung ohne SVP-Beteiligung bilden. Die wahrscheinlichste Nachfolge für Samuel Schmid wäre in diesem Fall ein zweiter CVP-Vertreter, höchstwahrscheinlich der Freiburger Urs Schwaller, der sich bereits vor einem Jahr dafür in Position gebracht hat.

Die Folge wäre eine neue Art von Konkordanz, eine Art „kleine Konkordanz“ ohne die Beteiligung der SVP, wobei natürlich die SVP bei jeder neuen Vakanz im Bundesrat wieder in die Regierung zurückkehren könnte, wenn sie wählbare Kandidaten präsentiert.

Es liegt nun insbesondere an den Mitteparteien CVP und FDP, dafür zu sorgen, dass wir auch in Zukunft eine glaubwürdige und funktionierende Regierung haben. Sie sollten sich ihrer Verantwortung bewusst werden und gut überlegen, ob sie aus eigenen Machterhaltungsinteressen dem Land durch die Bildung einer unglaubwürdigen Regierung schaden wollen – der Schuss könnte nach hinten los gehen, spätestens bei den nächsten Wahlen.

Quellen und Links zum Thema:
Bundesrats-Umfrage der Sonntags-Medien: Rita Fuhrer populärer als Christoph Blocher (swissinfo)
SVP-Kritiker bilden die «Gruppe 13» (NZZ)
Wahl-Drehbuch mit Varianten (NZZ)
Maurer: «Eine Ablösung von Blocher ist für die Partei nicht nur schlecht» (NZZ)
Konkordanzdemokratie (Wikipedia)

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Diese Seite enthält einen einzelnen am 02.12.08 16:54 erschienenen Blogeintrag.

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